Kobolde und Katakomben – Die Geschichte vom Fuchs, Teil eins
Wolltet ihr schon immer einmal wissen, was den Fuchs angetrieben hat? Lest doch einmal in diese wunderschöne, spannende, lustige und aufregende Geschichte hinnein.
„Die heutige Geschichte erzählt von den größten Abenteuern und tödlichsten Gefahren! Sie handelt von Helden und Schurken, fiesen Fallen, grässlichen Monstern und – wie könnte es anders sein – Schätzen jenseits aller Vorstellungskraft!“
Als der Barde die Stimme erhob, übertönte er damit den Lärm des Gasthauses. Spieler legten ihre Karten nieder, Speisende legten ihre Gabeln beiseite und Wirt Steinruh lehnte sich grinsend gegen den Tresen. Aller Augen waren auf den Mann gerichtet, der vor der Feuerstelle stand. Das übliche raue Gelächter und freundliche Geplänkel erstarb, als sich Stille über das Gasthaus legte. Schon bald waren nur noch das Knistern des Feuers und die sanften, bezaubernden Klänge zu hören, die der Barde seinem Instrument entlockte.
„Eine Gruppe erfahrener Abenteurer machte sich einst auf in tiefe Katakomben, auf der Suche nach der sagenumwobenen Axt Unheilsbringer! Diese Helden durchwanderten endlose Minenschächten und Tunnel, in den Fels geschlagen von fleißigen Koboldhänden. Sie erfuhren Mühsal, überwanden Dutzende tödlicher Fallen und erlegten eine geringe Anzahl boshafter Monster… doch am Ende? Sie versagten und warben jemand anderen an, sie zu erlangen!“
Einige Zuhörer lachten verhalten, doch der Barde beeilte sich, sie zu übertönen: „Dies ist die Geschichte des Mannes, den sie anwarben. Der Inbegriff eines Abenteurers, glatter als ein glitschiger Murloc und doppelt so gerissen. Ein Gauner, ein Dieb, ein schatzjagender Vagabund – und ein Held! Gewissermaßen. Ihr kennt ihn vielleicht als Marin der Fuchs! Und wenn nicht? Nun, wenn ich mit meiner Erzählung fertig bin, dann werdet ihr ihn kennen!“
Bei der Erwähnung von Marins Namen erhob sich ein Chor aus Jubelrufen. Eine Geschichte über Marin war immer hörenswert.
„Bereiten wir die Bühne. Tief in den Katakomben stoßen wir zu unserem Helden… “
Marin betrat eine große, stalaktitengesäumte Kammer und stellte fest, dass der Pfad vor ihm von einem tiefen Riss durchzogen wurde. Von weit unten drang ihm das Getöse eines unterirdischen Flusses ans Ohr. Feiner Nebel stieg aus den Tiefen auf und gab der Ansammlungen glühender blauer Kristalle, die aus den Wänden sprossen, einen gespenstischen Schimmer. Aus einem mit Brettern verschlagenem Loch in der Wand quoll Lava, die der Höhle einen rötlichen Schein verlieh und einen schwefelhaltigen Gestank mit dem süßen Duft von Wasser vermischte. Marin fragte sich verwundert, wie es die Bretter vor dem geschmolzenen Fels nur schafften, nicht von selbigem zu Asche verbrannt zu werden, und überdachte seine Möglichkeiten.
Glücklicherweise überspannte eine Brücke den flussgeformten Spalt vor ihm. Unglücklicherweise handelte es sich dabei um eine verknotete Ansammlung ausgefranster Seile und morscher Holzplanken, die nicht gerade vertrauenserweckend über einem schwindelerregenden Abgrund hängen. Und es gab keine Handläufe. Wie könnte es auch anders sein.
Es sah nicht gut aus, doch war der einzige andere Weg, den Marin erspähen konnte, von Giftgas überflutet. An Umkehren war nicht zu denken, dafür war er schon zu weit. So wie die in aller Eile blockierte Lavaröhre aussah, würde es diesen Pfad auch nicht mehr lange geben. So waren die Katakomben eben – bei jeder Rückkehr ein bisschen anders. Und Marin kehrte oft zurück.
Während die Verlockung von Reichtümern allein stets ausreichte, um einen Ausflug in die Tiefe zu rechtfertigen, so erfüllte dieser doch einen besonderen Zweck. Ein alter Freund hatte Marin um Hilfe bei der Bergung der legendären Axt Unheilsbringer gebeten. Er erinnerte sich an Eichenherz’ Worte von vor einigen Tagen…
„Die Gilde braucht diese Axt und wir können das verdammte Ding einfach nicht finden. Ja, wir haben wochenlang die Katakomben durchkämmt und nichts als Kobolde und noch mehr Kobolde gefunden. Jedermann weiß, dass Ihr der Beste seid, Marin. Ich brauche Eure Hilfe. Nun, was sagt Ihr dazu?“
Der Fuchs sagte: „Kommt drauf an, was ich dafür erhalte.“
Wie sich herausstellte, erhielt er gar nichts. Jedoch hatte Eichenherz das Gerücht vernommen, dass Unheilsbringer mit einem weiteren Schatz zusammen aufbewahrt wurde, einem Schatz, hinter dem Marin schon seit Langem her war. Eine große Truhe nämlich, die angeblich Gegenstände von besonderem Interesse enthalten solle. Marin hatte zugestimmt, und nun war er hier, konfrontiert mit einem Wunder der koboldschen „Ingenieurskunst“.
Die Seile ächzten und die „Brücke“ tanzte trunken unter seinen Füßen, als Marin behutsam einen Fuß auf das splitternde Holz setzte. Der Abgrund gähnte unter ihm, erschreckend gut sichtbar zwischen den klaffenden Lücken in den Planken, und eine Brise aus den Tiefen ließ ihn hin und her schwanken. Mit jedem nervenaufreibenden Schritt bemühte er sich redlich, die Vorstellung einer plötzlich unter ihm nachgebenden Brücke aus seinen Gedanken zu verdrängen.
Als er sich der Mitte näherte, sprang eine Gruppe Kobolde aus dem Tunneleingang, auf den Marin sich gerade zuschob. Ein Hinterhalt! Doch dankenswerterweise kein sonderlich effektiver – es stellte sich heraus, dass die Kobolde zu früh dran waren und nun einfach gut sichtbar herumstanden. Doch waren es immer noch ganz schön viele gegen nur einen Marin, der außerdem in der Mitte einer verrottenden Brücke stand, die jeden Moment nachgeben konnte. Nicht gerade eine optimale Situation!
Einer der Kobolde war größer als die anderen (was nicht viel heißt). Er trug eine Krone, auf der doch tatsächlich eine Laterne anstelle der für Kobolde typischen Kerze saß. Der Miniatur-Monarch war im Gegensatz zu seinen Kameraden außerdem eher rundlicher Natur – König zu sein brachte ganz ohne Zweifel kulinarische Vorteile mit sich.
Der gekrönte Kobold sagte etwas zu einem seiner Anhänger und schubste ihn dann nach vorne auf die schwankende Brücke. Durch das zusätzliche Gewicht ächzten die ausgefransten Seile äußerst besorgniserregend. Marin biss die Zähne zusammen.
Der kleine Kobold knetete seine Pratzen, warf sich in die Brust und sprach: „D-du. Du Abenteurer…”
Im Angesicht eines Helden in voller Rüstung, der von nahem noch viel größer wirkte, vergaß der Kobold mal eben seinen Text. Hilflos griff er also auf die Klassiker zurück. „Du nicht nehmen Kerze!“, schrie er und huschte dann zurück in die Sicherheit seiner Gefährtengruppe.
Der gekrönte Kobold rieb sich verärgert mit der Pratze übers Gesicht. „Ich sein König Togwaggel!“ rief er, und seine Stimme hallte eigentümlich in der riesigen Höhle wider. „Das hier sein MEINE Tunnel! DU lassen fallen Schätze jetzt!”
Marin zog eine Augenbraue hoch. „Euer Plan hat einen Haken, Eure Hoheit. Wisst Ihr, ich habe noch gar keine Schätze bei mir. Warum lasst Ihr mich nicht vorbei, damit ich mir welche holen kann. Dann können wir das Ganze hier auf meinem Weg nach draußen nochmal versuchen?“
Einige der Kobolde erkannten die Weisheit in seinem Vorschlag und nickten erfreut, wobei Kerzenflammen auf und ab hüpften. Ihr König jedoch war nicht so einfach zu überzeugen. Togwaggels Augen glänzten boshaft. „Wenn du nicht fallenlassen, Kobolde sich nehmen!“ kreischte er mit erhobenen Fäusten. „ICH BESCHWÖREN DEN GOLEM!“
Das Publikum sog hörbar die Luft ein. Gasthausstühle knarzten, als sich die Gäste nach vorne lehnten, dem Barden an den Lippen hängend. Es gab eine lange Pause, als der Zauber verflog und schließlich jemand fragte: „Und?! Was passierte dann?“
„Geschichtenerzählen macht durstig, Freund. Ich denke, ich genehmige mir mal eine kurze Auszeit“, antwortete der Barde mit einem Zwinkern. Er zerrte einen großen Kessel über den Gasthausboden. Quer über das schwarze Eisen waren in weißer Farbe sechs Worte geschrieben: ‘EIN HOCH AUF DEN FLEISSIGEN SPENDER’.
Fortsetzung folgt in Teil zwei!
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4 Antworten
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